Korinthen Yoga - Stühlerücken für Anfänger 

(aus Yoga Aktuell 71)

 

 

Hatten Sie schon mal mit einem Korinthenkacker zu tun? Ja? Oder lassen Sie mich anders anfangen: Waren Sie schon einmal bei einem Iyengar-Yogalehrer? Falls ja, dann wissen Sie, dass er – genau wie der Korinthenkacker – einen gewissen Hang zum, nun ja, drücken wir es positiv aus, Perfektionismus hat. Der Iyengar-Yogi lässt also seinem Perfektionismus freien Lauf. Er richtet penibel seine ganze Aufmerksamkeit auf für Außenstehende völlig überflüssig erscheinende Details, pocht aber gleichzeitig auf die strikte

Ansonsten wäre er ja kein Yogi. Sondern Friseur. Oder Bademeister. Oder Skilehrer. Oder Fleischwarenfachverkäuferin. Aber ich schweife ab… Grundsätzlich ist natürlich nichts gegen eine so genannte Sadhana, also eine tägliche Yoga-Praxis, einzuwenden. Im Gegenteil. Am effektivsten ist Yoga natürlich, wenn man täglich praktiziert. Aber die Frage muss erlaubt sein, weshalb so viele Yogameister empfehlen, in aller Herrgottsfrühe zu praktizieren. Yogi Bhajan, der Meister des Kundalini-Yoga, zum Beispiel, warb zeitlebens für halb vier als optimale Zeit für den Beginn einer Sadhana. Und damit meinte er ausdrücklich nicht den späten Nachmittag.

 

Halb vier morgens – das muss man sich mal vorstellen! Um die Zeit kommt so mancher erst nach Hause. Und dessen Gedanken kreisen dann auch eher weniger um Sadhana, sondern um Sandra. Aber egal. Ich persönlich habe jedenfalls kein Problem damit, früh aufzustehen und mein Yogaprogramm zu machen. Und wollen Sie wissen, wie ich es schaffe, jeden Tag aufs Neue meinen inneren Schweinehund zu überwinden? Ich verrat es Ihnen. Und sage nur ein einziges Wort: eiserne Disziplin. Gut, das sind zwei Worte, aber Sie wissen, was ich meine.

 

Ja, genau, ich bin ein Disziplin-Fanatiker! Jeden Abend stelle ich den Wecker auf 3.30 Uhr, springe morgens beim ersten Klingeln sofort aus dem Bett und beginne mein Yogaprogramm. Das heißt, manchmal bleibe ich nach dem ersten Klingeln noch ein paar Minütchen liegen, und den Wecker stelle ich abends, ehrlich gesagt, auf 9.30 Uhr statt auf 3.30 Uhr, und auf das morgendliche Yogaprogramm verzichte ich im Prinzip ganz. Aber der Rest stimmt.

 

Also gut, jetzt mal im Ernst: Eine Zeitlang habe ich wirklich versucht, um halb vier aufzustehen. Dabei kam es, kurz nach dem ersten Klingeln des Weckers, immer zu ein und demselben Dialog. Ein Dialog zwischen mir und einem komischen Wesen namens „Unterbewusstsein“.

Der Dialog ging ziemlich genau wie folgt:

 

UB (Unterbewusstsein): „He, Schlafmütze! Aufstehen! Zeit für deine Sadhana!“

Ich: „Santana?“

UB: „Nun mach schon. Du bist spät dran.“

Ich: „Wie kann ich spät dran sein? Es ist mitten in der Nacht.“

UB: „Es ist halb vier.“

Ich: „Mitten in der Nacht!“

UB: „Jetzt lass dich nicht so bitten. Ich will doch nur dein Bestes.“

Ich: „Du willst nur mein Bestes?“

UB: „Ja…“

Ich: „Dann lass mich schlafen!“

 

Hier endet der Dialog meistens. Und ich begann in einen tiefen Schlaf zu sinken. Dem Schlaf wird übrigens von vielen Psychologen eine große Bedeutung beigemessen. Ebenso dem Unterbewusstsein. Die Psychologen behaupten, dass das Unterbewusstsein einen enorm großen Einfluss auf unser Ich-Bewusstsein hat. Auf mich scheint diese Theorie allerdings nicht zuzutreffen. Zumindest nicht morgens um halb vier. Womit für mich persönlich auch klar ist – und das freut mich, nebenbei gesagt, sehr -, als welches Wesen ich vermutlich im nächsten Leben nicht wiedergeboren werde: als Wurm. Immerhin etwas.

 

Je nachdem, wie Sie sich übrigens beim Umgang mit den Yoga-Hilfsmitteln, wie zum Beispiel den Gurten, anstellen, bekommt die Bezeichnung „blutiger Anfänger“ eine im wahrsten Sinne des Wortes einschneidende Bedeutung. Leider muss man beim Iyengar-Yoga die Asanas aber immer mit Hilfsmitteln ausführen. Das ist quasi eine Art Gesetz.

 

Allen Unkenrufen zum Trotz muss ich an dieser Stelle aber auch mal darauf hinweisen, dass diese Yogaform unglaublich nützlich ist. Wenn man sie regelmäßig praktiziert, eröffnen sich einem sogar ganz neue Blickwinkel, und man schafft es dadurch leichter, sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren. Ja, im Ernst. Als ich mich beispielsweise letzte Woche mit meiner Freundin darüber stritt, wer von uns beiden öfter das Klo putzt (eindeutig sie), konnte ich mich während ihres Monologs auf das Wesentliche konzentrieren und so meine Nerven schonen. Als sie fertig war, sagte ich nur: „Schatz, dein linker kleiner Zeh ist schon die ganze Zeit leicht abgespreizt.“ Aber das klappt leider nicht immer.

 

Entwickelt wurde diese Yoga-Form übrigens von B.K.S. Iyengar, der als Kind alle möglichen Krankheiten hatte und als Erwachsener kaum größer war als ein Kind. Nichtsdestotrotz steht das „B.K.S.“ in seinem Namen für „Bald Kommt Shavasana“, und nicht, wie häufig behauptet wird, für „bin klein & supergelenkig“. Und erst recht nicht für „Bellur Krishnamachar Sundararaja“. Keine Ahnung, wer so einen Unsinn verbreitet.

 

Apropos Shavasana: Die Tiefenentspannung kommt – wie bei allen anderen Yogaformen auch – erst zum Schluss der Stunde. Bis dahin ist es allerdings ein oft mühsamer Weg. Man ist nämlich die meiste Zeit damit beschäftigt, die oben bereits erwähnten Hilfsmittel, wie zum Beispiel Polster, Stühle, Bänke, Tische, Kleiderschränke und Einbauküchen, ständig zur Yogamatte hin und wieder zurück zu tragen. So gesehen, können Sie Iyengar-Yoga eigentlich auch sehr gut in jedem x-beliebigen Möbelgeschäft ausführen. Sie dürfen die Möbel nur nicht raustragen. Das könnte sonst Fragen aufwerfen…

Ich wäre im Übrigen dafür, das Umhertragen von Einrichtungsgegenständen sogar patentieren zu lassen und einen völlig neuen Yoga-Stil ins Leben zu rufen: Möbel-Yoga! Das in Yogakreisen übliche Duzen beherrschen die Angestellten mancher Möbelhäuser ja schon. Ich denke da vor allem an den Marktführer aus Schweden. Beibringen muss man denen nur noch, was Außenachseln, Innenknie, Mittelfüße und Supernasen sind. Und wie man dieses Wissen im Zusammenhang mit zum Beispiel „Stühlerücken“ als Yoga verkauft. Ich fahr gleich mal zu denen rüber und erkläre ihnen mein Konzept. Vorher esse ich aber noch ein Stück Kuchen. Ganz ohne Hilfsmittel. Dafür mit Korinthen. Perfekt!